Nordseeküsten-Radweg im Mai 2019

Von der Ems in Ostfriesland nach Hamburg

 

 

Diesmal stand meine alljährliche Radtour unter keinem so günstigen Stern. Zum einen hatte ich mir davor eine extreme Erkältung aus Südamerika mitgebracht, die noch nicht ganz abgeklungen war als ich startete, und zum anderen war das Wetter, und da besonders der Wind, nicht auf meiner Seite. Bei Tagestemperaturen von 13 - 15 Grad strampelte ich mutig, manchmal aber auch richtig verzweifelt, gegen ihn an. Mit 30-35 km/h, gespickt mit Böen bis zu 55 km/h, blies er mir nämlich meistens steif ins Gesicht. Und weil das noch nicht reichte, fuhr mich gleich am ersten Tag noch ein Auto an, und einmal rutschte ich bei Querung auf einem regennassen Gleis aus und stürzte. Aber außer blauen Flecken und etwas Knieschmerzen war alles gut. Auch das Rad hatte es jedesmal ohne Schaden überstanden. Und so wurde es trotz dieser Ereignisse doch wieder eine schöne Tour mit toller Streckenführung, die ich mir entsprechend dem Radtourenbuch von Bikeline „Nordseeküsten-Radweg 2“ erradelte. (Die Graphik entstammt einem Beitrag des NDR, der über diesen Radweg kurz berichtete). Neben dem Bikeline Buch hatte ich mir noch die GPS Tourdaten aufs Handy geladen. Sicher ist sicher. 

 

Wegführung: Es ging hinter oder vor den Deichen entlang der Nordseeküste und ihren kleinen Küstendörfern, mit vielen Abstechern in das Innere des Landes mit historischen Städtchen, mächtigen Gutshöfen, alten Warfendörfern und großen sehenswerten Windmühlen. Weite landwirtschaftlich genutzte Ebenen, das zum Weltkulturerbe erhobene Wattenmeer und wunderschöne Buchten prägten zudem diese Tour. Die Wege waren fast durchgehend asphaltiert, kaum Steigungen, nur die Beschilderung war sehr dicht, so dass man manchmal schon genau hinsehen musste, um zu wissen, in welche Richtung es ging. Zumal etliche Tafeln so von der Sonne ausgeblichen waren, dass ich nicht mehr genau erkennen konnte, um welchen Radweg es sich handelte. 

An der Nordseeküste entlang.
An der Nordseeküste entlang.

Route: Der deutsche Teil des Nordseeküsten-Radweges beginnt an der holländischen Grenze bei Bunde, führt durch die Länder Niedersachsens und Schleswig Holsteins, und endet in der Hansestadt Hamburg. Auf dem gesamten Weg von insgesamt 577 km in neun Etappen (+ An- und Abfahrt zur Bahn mit je 18 km) traf ich sehr wenig Tourenradler an. Möglich, dass dies auch an den Wetterverhältnissen lag, da mir in etlichen Unterkünften gesagt wurde, dass deswegen vermehrt Stornierungen eingingen. Aber eines war ganz deutlich zu beobachten, 90 Prozent der Radler fuhren E-Bike. 

 

Unterkünfte: Die Unterkünfte, die ich etliche Monate im Voraus gebucht hatte, waren alle voll akzeptabel, preislich aber orientierten sie sich am Preisniveau der Ferienorte an der Nordseeküste. Allerdings legte ich auch Wert darauf, dass sie sich in der Nähe des Radweges und nicht weit von Lokalen befanden, wo ich zu Abend essen konnte. Große Pausen waren bei dem Wetter und dem Wind nicht drin. Tagsüber habe ich daher stets nur einen Fitnessriegel und/oder einige Kekse gegessen. Selbst für mein geliebtes Eis war es meistens zu kalt. Die reinen Fahrzeiten schwankten zwischen 2,5 - 5 h. Mit Pausen, Besichtigungen, Fahrten von und zum Hotel war ich täglich 7 - 7 1/2 h unterwegs. Geplant waren 575 km. Dass es dann insgesamt "nur" 577 km wurden, trotz der drei ungeplanten Bahnfahrten, lässt erahnen, dass ich ganz schön außerhalb der offiziellen Radtour rumgekurvt bin. Teils durch ungewollte Umwege, teils durch Alternativstrecken, die meist etwas länger sind, und die An- und Abfahrten zu und von den Unterkünften und Sehenswürdigkeiten.

 

Anreise: So., 19.05.19: Mit Rad nach Basel, mit Nachtzug über Hannover nach Leer/Ostfriesland 

Logo Radweg
Logo Radweg

Die Anreise war diesmal erstaunlicherweise unkompliziert. Wie immer abends mit dem Rad nach Basel zum Badischen Bhf, dort in den österreichischen nightjet eingestiegen, über Nacht bis Hannover gefahren, morgens von dort dann weiter mit dem Zug nach Leer. Auch bei den reservierten Stellplätzen für das Rad gab es diesmal keinerlei Probleme. Sie waren immer frei und gut zu erreichen, ebenso wie der reservierte Liegewagenplatz, in dem statt vier diesmal nur drei Liegen besetzt waren. Also alles optimal. 

 

1. Radtag: Mo., 20.05.19: Ankunft in Leer - per Rad nach Bunde und zurück - Zug nach Emden (55 km)

Relativ gut im Liegewagen geschlafen und ca. 20 Min. vor offizieller Ankunft in Hannover, wo ich umsteigen musste, zum Radabteil gegangen, welches drei Waggons hinter dem Liegewagen war. Doch da sah ich voller Schreck, dass der Zug gerade in Hannover einfuhr. 20 Minuten vor der Zeit. Ging meine Uhr falsch? Ich also mit den Gepäcktaschen durch die drei Waggons zu dem Radabteil gerannt, Taschen auf den Bahnsteig geschmissen und das Rad geholt. Und erst auf dem Bahnsteig erfuhr ich, dass der Zug 20 Min zu früh angekommen war und bis zur regulären Abfahrtszeit in Hannover stehen blieb. Also, das war eine Aufregung schon frühmorgens um sechs Uhr. Und damit noch nicht genug, fuhr mein Anschlusszug nach Leer auch schon 20 Min. eher ein. Ja wo waren wir denn, von der Bahn ist man doch eigentlich nur Verspätungen gewohnt. Die Ostfriesen sind eben doch nicht so verschlafen!

Im Bahnhof von Leer noch einen Tee getrunken, und dann kurz vor 10 Uhr morgens per Rad los. Die ersten Kilometer der Tour wollten gefahren werden. Es war kalt, und ein leichter Nebelschleier lag über Leer und Umgebung. Eigentlich hätte ich nach Emden fahren müssen, dem nächsten Ort an der Strecke, 


aber da der deutsche Teil des Nordseeküsten-Radweges in Bunde beginnt, wollte ich eben dort auch anfangen. Also führte mich mein Weg zuerst nach Bunde an der Niederländischen Grenze, und dann wieder zurück nach Leer, und von dort nach Emden, dem Tagesetappenziel. Die morgendliche Fahrt durch Leer war wunderschön. Begeistert fuhr ich durch die kleinen verwinkelten Altstadt - Gässchen mit ihren schmucken alten Häuschen im roten Backsteinbau. Die alte Handels- und Seefahrerstadt kann auf eine über tausendjährige Geschichte zurückblicken.

Am Hafen vorbei ging es über eine der längsten Klappbrücken Europas Richtung Weener und schließlich nach Bunde. Nachdem ich Leer hinter mir gelassen hatte, war fast nur noch Natur bzw. Landwirtschaft pur zu sehen, zu spüren, und vor allem zu riechen, denn überall wurde fleißig geodelt. 


Große Teile der Strecke verliefen innen am Deich entlang. Auf den schier endlosen Weiden daneben weideten viele Viehherden, standen große gepflegte Bauernhäusern, über mir krächzten Krähen, und der Deich wurde von Schafen in Schuss gehalten. Es war einfach schön! Nach 24 km erreichte ich schließlich Bunde. Als Umkehrziel hatte ich mir dort die große Holländer-Windmühle gesetzt, die als eine der schönsten Holländer-Galerie-Windmühlen Ostfrieslands gilt. Beweisfoto gemacht, und dann schon den Rückweg angetreten. Das Wetter lud wirklich nicht zum Verweilen ein. Ich hatte alles an, was ich an warmen Sachen mit hatte, und habe immer noch gefroren. Auf dem Rückweg nahm ich eine andere Strecke, die der vorherigen in nichts nachstand und nur minimal länger war.

Gasse in der Altstadt von Leer
Gasse in der Altstadt von Leer

Wieder in Leer angekommen, aß ich etwas zu Mittag, und überlegte, wie ich denn nun weiterfahren sollte. Die Entscheidung wurde mir aber aus der Hand genommen. An der Einfahrt zu einem Autokreisel stieg ich vom Rad ab und wartete. Hinter mir ein Lieferwagen, der auch wartete. Als ich weiterfahren wollte, stieß mich plötzlich etwas von hinten mit Wucht an und ich stürzte auf die Straße. Einen kurzen Moment wusste ich nicht was los war, dann aber wurde mir klar, dass ich gemeinsam mit dem Rad eingeklemmt unter dem Vorderteil des Lieferwagens auf der Straße lag. Noch etwas benommen probierte ich aufzustehen. Das linke Knie und der linke Arm taten zwar ziemlich weh, aber was half's. Nach den ersten Schritten ging es wieder einigermaßen. Gott sei Dank blieb mein Rad heil, da die Gepäcktaschen wohl Schlimmeres verhütet hatten. Am Auto war die vordere Stoßstange total verbogen. Nach Diskussion mit dem Autofahrer, der totenbleich aus dem Auto stieg, er hatte mich einfach nicht wahrgenommen, obwohl ich einen grellfarbenen Anorak anhatte, Austausch der Adressen und aller wichtigen Daten, machte ich mich wieder auf den Weg. Aber mir zitterten doch etwas die Knie, und da ich nicht genau wusste, ob mein Rad vielleicht nicht doch etwas abbekommen hatte, beschloß ich, die restlichen Kilometer direkt mit dem Zug nach Emden zu fahren. 

 

In Emden dank Navi meine Unterkunft "Hotel Kronprinz" relativ bald gefunden, nicht ohne vorher noch an einer wunderschönen Windmühle vorbeigekommen zu sein. Im Zimmer schnell alle Sachen rausgewaschen, meine Schürfwunden und Knie und Ellenbogen gehätschelt und gepflegt, und dann bald ins Bett. Die kleine Pizza, die ich in Leer gegessen hatte und ein halber Fitnessriegel, reichten mir, sodass ich nicht mehr zum Essen wegmusste. Der Blick auf die Wettervorhersage für den nächsten Tag reichte mir sowieso. Er verhieß nichts Gutes, nur Wind, Wind, Wind, und alles gegen mich. Am besten gar nicht daran denken und einfach erstmal schlafen. 

 

2. Radtag: Di. 21.05.19: Emden - Rysum - Greetsiel - Marienhafe - von dort mit Zug bis Norden (76 km)

Hatte phantastisch geschlafen und neue Kraft gesammelt, die ich auch voll an diesem Tag brauchte. Die Wettervorhersage mit 13 - 14 °C und Wind von 30-32 km/h, mit Böen von 50-55 km/h, ließen nichts Gutes ahnen. Was sich dann leider auch bewahrheitete. Anscheinend das prophezeite Schicksal aller Radfahrer an einer Küste. Nun denn, nicht gleich am Anfang unterkriegen lassen. Der Weg sollte sehr schön und voller größerer und kleinerer Sehenswürdigkeiten sein, was er dann auch war.  

Wie immer um neun Uhr losgefahren. Den Weg aus Emden heraus hatte ich schon am Vorabend entdeckt. Über die alte Wallanlage ging es auf guten Radwegen übers Land durch die Gemeinde Krummhörn mit den echt sehenswerten kleinen Dörfchen Larrelt, Wybelsum und später Rysum. Sie alle hatten wunderhübsche historische kleine Kirchen, die auch offen waren. Besonders begeisterte mich das Warfendorf Rysum mit der ältesten spielbaren Orgel der Welt von 1457. Ein Warfendorf ist eine Ansiedlung auf einem künstlichen Hügel, der aufgeschüttet wurde, um sich vor dem ständig steigenden Meeresspiegel zu schützen. Rund um eine Tuffsteinkirche drängten sich hier die alten roten Klinkerbauhäuschen mit liebevoll gepflegten kleinen Vorgärten. 

 

Nach vielen Fotos und einer netten Begegnung mit zwei anderen Tourenradlerinnen, machte ich mich weiter auf den Weg. Fast immer gegen den Wind. Wenn ich aber dann mal Schiebewind erwischte, flog ich nur so dahin. Leider war das nur ganz selten, half mir aber, die sonstige elende Mühe dagegen anzukämpfen, etwas zu vergessen. Und wenn es etwas zu besichtigen gab, machte ich es einzig, um eine kleine Verschnaufpause zu haben. Eigentlich wollte ich ab Pilsum eine Abkürzung nehmen, aber den berühmten gelb-rot bemalten Leuchtturm konnte ich mir dann doch nicht entgehen lassen. Bekannt durch den Film „Otto, der Außerfriesische“ ist er eine richtige Berühmtheit. Hier traf ich auch die beiden Radlerinnen von vorhin wieder, die einen etwas kürzeren Weg genommen hatten. Sie klagten nicht ganz so über den Wind, da sie ein E-Bike hatten, aber anstrengend war es für sie auch. 

Kurz darauf erreichte ich das wirklich malerische Greetsiel, bekannt durch seine Zwillingsmühlen und den vielen historischen Häusern im Ortskern. Nach einer kurzen Rast am über 600 Jahre altem Kutterhafen der Krabbenfischer peilte ich das nächste Ziel an, Marienhafe. Die dortige Kirche mit ihrem 


ursprünglich 80 m hohem Turm und den teilweise mit Schiefer und teilweise mit Kupfer bedeckten Dächern war um die Zeit des Seeräubers Störtebecker, der hier seinen Schlupfwinkel hatte, ein wichtiger Wegweiser für dessen Flachboote. Inzwischen zeigte mein Kilometerzähler aber 73 km an, und bis zu meinem Tagesziel wären es noch einmal 27 km gewesen. Das hätte ich nicht mehr geschafft, besonders bei dem Wind. Außerdem war es schon nach 17 Uhr. Gottseidank lief hier die Bahnlinie nach Norddeich vorbei. Nach einer Pizza fuhr ich daher gegen 19 Uhr mit dem Zug eine Station weit bis nach Norden, der nordwestlichsten Stadt auf dem deutschen Festland, meinem Tagesziel. Dort musste ich allerdings noch gute drei Kilometer bis zu meinem Hotel "Hotel & Restaurant Möwchen" fahren, so dass ich heilfroh war, endlich angekommen zu sein. Und schon kurz darauf fiel ich müde ins Bett. Für diesen Tag hatte es voll gereicht. Kilometer- und Windmäßig. 

 

3. Radtag: Mi.,22.05.19: Norden - Bensersiel – Esens - Neuharlingersiel - Corolinensiel ( 69 km)

Nach dem Blick auf die Wettervorhersage wollte ich mir am liebsten gleich wieder die Bettdecke über den Kopf ziehen. 11 °C, Wind und Böen wie gestern. Aber es half nichts. Also die noch etwas klammen Sachen von gestern angezogen. Ich hatte sie am Abend vorher gewaschen, aber sie waren trotz meiner speziellen „Auswring-Handtucheinroll-Auspresstechnik“ noch nicht ganz trocken geworden. Bei diesen Temperaturen hatte ich immer vier Lagen übereinander an. Zudem graute mir entsetzlich vor dem zu erwartenden erneuten Kampf gegen den Wind. Aber siehe da, der heutige Weg führte fast immer neben dem Deich entlang, der genügend Windschutz bot, um zügig gut fahren zu können. Es war richtig angenehm, nahezu entspannend im Vergleich zu gestern. 

Der Radweg ging von meinem Hotel in Norden schnurgerade nach Norddeich, dem seit 1979 staatlich anerkannten Nordseebad, und von dort rechts zum Deich. Oben auf dem Deich kämpften schon ein paar Kurgäste, fest in Regenzeug und Windschutz gehüllt, mit dem Wind, ich aber fuhr einigermaßen windgeschützt auf der Innenseite des Deiches auf einer schmalen Nebenstraße. War das schön. Keiner sonst unterwegs, auch keine Radler. Links der Deich, daneben mein Radweg, und neben diesem konnte der Blick ungehindert über eine unendlich weite ebene Fläche mit Weiden für das Vieh oder Rapsanbau schweifen. Hin und wieder standen an der rechten Seite kleine schmucke rote Backsteinhäuschen die meist um Feriengäste warben, dann wieder ein großes Gutsgehöft, ab und an begleitete mich ein Entwässerungsgraben, und über mir 


flog ein Vogelschwarm nach dem anderen in die Ferne. Der Wind wurde durch den Deich abgehalten oder schob mich sogar. Ich erlebte Radfahridylle pur. Die Kilometer flogen nur so dahin. Zur Abwechslung öfters große Schafherden auf dem Deich, die wertvollen „Mitarbeiter“ bei der Deichpflege. Zum einen halten sie den Bewuchs kurz, dann verfestigen sie den Deich selbst durch ihr ständiges hin und herlaufen, und ihr Kot düngt den Boden, was wiederum den Bewuchs fördert. Wenn mich mal Tourenradler überholten, waren es E-Biker. Witzig ist dabei immer der kurze einschätzende Blick aller auf das Rad des Entgegenkommenden, ob er ein E-Bike fährt oder ausschließlich eigene Muskelkraft einsetzt, obwohl man das lange vorher schon an der Körperhaltung sehen kann.

Nach fast drei Stunden in Dornumersiel kurzen Stopp gemacht und den kleinen Hafen fotografiert, dessen Schiffe schon auf dem auflaufenden Wasser dahin dümpelten. Dann aber weiter Richtung Bensersiel, von wo ich in Richtung Süden nach Esens abbog, dem sehenswerten Städtchen mit dem Bären im Stadtwappen. Zu der Ehre kam er, weil ein Bär 1514 angeblich die Stadt vor einer Eroberung rettete. Ich fuhr kreuz und quer durch die Stadt, dann aber wieder zurück nach Bensersiel. Die normale Route wäre woanders verlaufen, aber kaum hatte ich vorher bei der Fahrt nach Esens "meinen" Deich verlassen, blies mir wieder der kräftige Wind entgegen. Also schnell auf der gleichen Strecke zurück zum Deich, aber diesmal auf den Außendeich, also an der Wasserseite. 


Etwas ungewohnt war hier, dass man auf einer schrägen Fläche fahren musste, aber immerhin geteert. Und mit dem Geräusch der Wellen und des Windes, unter blauem Himmel mit vielen weißen Wölkchen radelte ich beschwingt weiter. Am Vormittag Deich links, nun Deich rechts. Kurz nach 15 Uhr im 300 Jahre alten Neuharlingsersiel mit dem malerischen Kutterhafen angekommen, Eis gegessen, und etwas später in Carolinensiel, meinem Tagesziel, eingetroffen. Dort zu meiner Unterkunft "Hotel Up Diek", Haare und Sachen gewaschen, und kurz darauf zum Museumshafen, wo viele historische Kutter- und Segelschiffe vor Anker lagen. In einem ehemaligen Kapitänshaus das beste Matjes meines Lebens gegessen, und später gemütlich zurück zu meinem Hotel. Es war ein wunderbarer Tag. So sollte es immer bleiben, so macht Radfahren Spass.

 

 

4. Radtag: Do., 23.05.19: Carolinensiel - Jever - Hooksiel - Wilhelmshaven (63 km)

Obwohl der Wind aus NW kam, damit hätte man gut hinterm Deich fahren können, profitierte ich nicht viel davon. Mein Weg führte mich an diesem Tag strikt südlich bis Jever, wendete sich dann wieder gen Norden, Richtung Küste, um in Hooksiel erneut nach Süden, Richtung Wilhelmshaven einzubiegen. Aber es regnete nicht, die Temperatur war etwas moderater, die Sonne schien und der Himmel war blau. Sozusagen ein fast idealer Wettertag. Also los.

Auf dem Weg aus Carolinensiel heraus sah ich kurz hintereinander vier Hasen, die über meinen Weg hoppelten. Sie  stutzten kurz und liefen dann weg. So frühmorgens waren wohl noch nicht so viele Menschen unterwegs. Und wie schon an den anderen Tagen, fuhr ich oft an großen Windparks oder einzelnen riesigen  


Windanlagen vorbei. Dabei fiel mir auf, welchen Lärm diese verursachten. Ob sich die Menschen und Tiere auf und in der Nähe der Gehöfte und Häuser schon daran gewöhnt hatten, mir wäre es auf jeden Fall zu laut, dieses ständige „Wumm wumm wumm“. 

 

Trotz permanenten Gegenwind kam ich gut auf den ausgebauten Radwegen durch pure Natur oder neben wenig befahrenen Straßen voran. Zwar lernte ich alle möglichen Beläge kennen, von asphaltiert bis Kiesweg, aber das war kein Problem. Und nach 22 km traf ich auf dem Alten Marktplatz von Jever ein, der Kreisstadt des Landkreises Friesland. Besser bekannt womöglich als Heimat der Biermarke „Jever“, die seit 1848 dort gebraut wird. Eingerahmt von historischen Baudenkmälern bot der schönste Platz in Jever einen würdevollen Eindruck. Maßgeblich trug das prächtige Schloss Oldenburg mit dem imposanten Schlossturm dazu bei, welches 

den Schlossplatz dominierte. Die Stadt kann auf eine fast 1000jährige Geschichte mit häufig wechselnden Herrschern zurückblicken. Besonders schön fand ich, dass, wie organisiert, bei meinem Eintreffen um genau zwölf Uhr mittags, das Glockenspiel am Hotel Hof von Oldenburg seine volkstümlichen Melodien spielte. 


Beschwingt machte ich mich daher etwas später wieder auf den Weg Richtung Nordsee, nach Hooksiel. Leider fand ich ab Jever die Beschilderung nicht mehr vorbildlich. Immer wieder musste ich mein Handy heranziehen, um zu kontrollieren, ob ich mich noch  dem richtigen Weg befand. Der Weg selbst aber war sehr schön. Entlang des Hooksieler Tiefs mit Sielen und Feldern, und später einer kaum befahrenen Nebenstraße folgend, erreichte ich später Hooksiel. Ein pittoresk wirkender kleiner Küstenbadeort mit einem vier Kilometer langen künstlichem Badestrand und einer unter Denkmalschutz stehender Hafenanlage. Zweimal durch den Ort gefahren, Fotos gemacht, dann schon weiter, nach Wilhelmshaven. 

 

Bei der Einfahrt in Wilhelmshaven wäre ich schier gar an der Beschilderung verzweifelt. Ob ich die Wegweiser nur nicht gesehen habe, oder ob sie in den anderen unzähligen Radwegschildern untergegangen sind, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall hat es lange gedauert, bis ich meine Unterkunft, eine Privatwohnung "Ferienwohnung Leuchtturm", fand. So eine Privatwohnung ist schon eine eigenartige Sache. Ich kam mir wie ein Eindringling vor. Die Wohnung selbst, incl. Kinderbettchen, aber war tip top aufgeräumt, alles liebevoll für mich hergerichtet und mit Briefchen versehen. Ich mich also schnell „stadtfein“ gemacht, dann noch etwas für das morgige Frühstück eingekauft, welches natürlich nicht inbegriffen war, um anschließend  in einem griechischem Lokal zu Abend zu essen. Wie immer später etwa um 21 Uhr ins Bett. Alles in allem war es ein schöner erlebnisreicher Tag gewesen. 

 

 

5. Radtag: Fr., 24.05.19: Wilhelmshaven - Neustadtgödens - Varel - Eckwarden (81 km)

An dem Tag war ich abends aber so was von kaputt. Es waren nicht so die Kilometer, obwohl es mit 81 km auch nicht gerade wenig waren, nein, es war der Wind. Drei Viertel des Weges musste ich gegen wirklich heftigsten Gegenwind kämpfen. Oft schaffte ich nur 11 - 12 km/h. Wenn es gut lief fuhr ich sonst mit 18 - 20, teilweise sogar bis zu 25 km/h. Es war unbeschreiblich. Aber es gab weit und breit keine Abkürzung die ich nehmen konnte, oder eine Bahn, mit der ich hätte fahren können. Ich musste da durch. 

 

Schon morgens gab es eine Änderung des normalen Ablaufes. Am Vortag war mir meine kleine Kamera nach einem Selbstauslöserfoto mit noch ausgefahrenem Objektiv von den Gepäcktaschen auf den Asphalt gefallen. Nichts ging danach mehr. Gottseidank war ich aber in einer großen Stadt, wo ich mir eine neue Kamera besorgen konnte. Also an diesem Tag erst zum Media Markt gefahren, eine gekauft, und mich dann um 10:30 Uhr auf den Weg gemacht. 

 


Mein Weg verlief heute rund um den Jadebusen, der Nordseebucht zwischen Wesermündung und Ostfriesland, mit dem höchsten Tidehub der deutschen Nordseeküste. Kaum aus Wilhelmshaven raus, fuhr ich auf einen außendeichs verlaufenden Betonplattenweg, auf dem mich gleich die volle Wucht des Gegenwindes erfasste. Und das ging munter so weiter, mit nur wenigen Unterbrechungen. Über Sande am Ems-Jade-Kanal entlang bis zum Schloss Gödens, welches noch in Privatbesitz ist. Schnell ein Foto, dann weiter ins Dorf Neustadtgödens mit den meisten Glaubenshäuser unterschiedlicher Konfessionen Ostfrieslands. 

 

Der Wind hatte es leider immer noch voll auf mich abgesehen, trotzdem radelte ich tapfer über Dangast und dem Vareler Hafen nach Varel weiter. Und auch wenn ich inzwischen schon viele viele Windmühlen gesehen hatte, diese schöne und immer noch aktive Vareler Windmühle von 1847/48 musste ich noch fotografieren. Etliche Kilometer weiter hieß es immer am Deich entlang. Mit der Zeit zog sich die Strecke jedoch so in die Länge, dass ich mir nur noch kleine Trink- und Fotopausen erlaubte. Ansonsten trat ich tapfer in die Pedale. Und endlich, kurz nach 17 Uhr, bog ich in Eckwarden, meinem Tagesziel, ein. Kaputt, aber trotzdem von der Landschaft der Nordseeküste begeistert. In meiner Unterkunft „Eckwarder Hof“ gut zu Abend gegessen, dann ins Bett. Mein Gott, war ich müde.

 

 

6. Radtag: Sa., 25.05.19: Eckwarden - Halbinsel Butjadingen - Fähre nach Bremerhaven (41 km)

Na wer sagt's denn. Es geht doch. An diesem Tag hatte ich je zu einem Drittel Gegen-, Seiten- und Schiebewind. Außerdem war es eigentlich nur ein halber Tag, da ich früh in Bremerhaven sein wollte, um dort das Deutsche Auswandererhaus und evtl. das Klimahaus zu besuchen. Also machte ich mich nach leckerem Frühstück und Plausch mit der Wirtin wohlgemut auf den Weg.

Mein Weg führte mich um die Halbinsel Butjadingen, immer an der Küste und dem Deich entlang. Daher waren Deichausblicke und Marschlandschaften die Höhepunkte. Leider war morgens immer Ebbe, d.h. das Wasser immer weit draußen und kaum zu sehen, aber man konnte es ahnen und die Seeluft riechen. Herrlich! Durch die Deichanlagen von Tossens, Langwarden und Fedderwarden ging es weiter durch das Marschland zum Nordseebad Burhave. Ein kurzes Stück des Radweges verlief dabei außen am Deich entlang, was mir wie immer besonders gut gefiel.

 

Ich bin schnell gefahren, zumal es wieder ziemlich kalt war, und ich trotz meiner „Winterkleidung“ erst warm werden musste. Außerdem hatte ich mir vorgenommen, die Weserfähre um 11:40 Uhr von Blexen aus nach Bremerhaven noch zu erreichen. Trödeln durfte ich daher nicht. Aber kein Problem, ich schaffte es gut, da der Wind mitspielte. Zwar war ziemlich Betrieb an der Fähre, aber ich war mit ganz vorne und daher schnell auf und schnell wieder runter von der Fähre. In Bremerhaven angekommen, sah ich, weshalb so viele Menschen unterwegs waren. Im Hafengebiet fand das 4. Seestadtfest - Landgang Bremerhaven statt. Daher empfing mich ein wildes Gewusel an Menschen, überall dröhnte laute Musik, und der Geruch von Bratwürsten etc. lockte mich mit Erfolg an. 

Dann aber suchte ich mir den Weg zum Deutschen Auswandererhaus, welches ich zwar schon zweimal in den vergangenen Jahren besucht hatte, aber alle guten Dinge sind eben drei. Ich finde es jedesmal äußerst beeindruckend und informativ. Rad außen abgestellt und rein.


Angst hatte ich nie wenn ich mein Rad mit den Gepäcktaschen irgendwo abstellte. Nur die Lenkradtasche kam immer mit und wurde sicher in einem Schließfach deponiert. Ich nahm mir viel Zeit auf dem Weg durch die Ausstellung, so dass es schon spät war, als ich wieder den Ausgang erreichte. Eigentlich wollte ich danach noch zum Klimahaus, aber dort standen noch Schlangen von Besuchern vor der Kasse. Es wäre zwar schön gewesen, aber zum einen kannte ich es bereits und zum anderen graute mir vor dem Gedrängel. So machte ich mich langsam auf den Weg zu meinem Hotel "Hotel Elbinger Platz". Das Rad schob ich durch das Festgewimmel.

Unterwegs noch etwas zum Frühstück eingekauft, da es im Hotel kein Frühstück gab. Das ist schon arg umständlich, weshalb ich künftig unbedingt noch mehr darauf achten muss. Nach all den üblichen Verrichtungen am Abend wie Sachen waschen, Tagebuch schreiben, blaue Flecken pflegen etc., war es Zeit schlafen zu gehen. Um 23 Uhr jedoch plötzlich durch ein großes Feuerwerk aufgewacht. Ob das zu meinen Ehren war? Das wäre doch nun wirklich nicht nötig gewesen! Gute Nacht. 

 

 

7. Radtag: So., 26.05.19: Bremerhaven - Dornumer-Neufeld - Kugelbake - Cuxhaven (61 km)

Zu viel des Guten darf nicht sein. An diesem Tag durfte ich Rückenwind satt genießen, dafür stürzte ich bei Regen im Überseehafen von Bremerhaven bei Überquerung spitzwinkliger Gleise. Aber alles ging wieder gut für das Rad und mich aus, und so wurde es doch  ein schöner Tag. Bei Regen zwar und kalt, aber dennoch. 

 

Das Frühstück fiel frugal aus. Tee mit heißem Wasser aus der Leitung und ein Lachsbrötchen vom Vorabend. Am Sonntagmorgen hatte in der Nähe keine Bäckerei o.ä. auf, wo ich Frühstück bekommen hätte. Aber als ich zum Fenster rausblickte, war mir eh die Lust dazu vergangen. Es regnete in Strömen. Super. Daher nicht gerade Freudetrunken fertig gepackt, mein Fahrrad aus seinem luxuriösen Übernachtungsort, es durfte über Nacht in einem geschlossenem Café stehen, geholt, und los. 

Die Route war schnell gefunden. Zuerst durch das nun nahezu Menschenleere Hafengebiet und neun Kilometer durch die großen Überseehäfen. Da war ich schon sehr froh, dass Sonntag und kein Auto- und Werksverkehr war. Selbst im Bikeline-Heft wurde zur äußerster Vorsicht gemahnt, da hier normalerweise kaum ein Radfahrer fährt. Hier dominieren Lastzüge, Tankwagen und Sattelschleper etc., halt alles, was in einem Hafen so kreucht und fleucht. Interessant war es allerdings schon. Wann sonst sieht man so riesige Anlagen und genießt das Flair eines Freihafens. An der Abzweigung zu den Kreuzfahrt-Terminals kam mir kurz der Gedanke: „Was wäre wenn“, aber das war nur ein flüchtiger Moment. 

 

Ich radelte weiter, und, am Erzhafen bei den spitzwinklig kreuzenden Gleisen, geschah es dann. Mein Radweg wechselte abrupt die Straßenseite, und damit auch ich, dabei rutschte jedoch mein Hinterrad auf den kreuzenden regennassen Gleisen weg und ich stürzte im hohen Bogen auf die Straße. Im Bikelineheft wurde genau vor dieser Stelle gewarnt, aber alles passierte so schnell, dass jegliches Nachdenken darüber sinnlos ist. Sehr hilfsbereit fand ich, dass sofort ein Autofahrer hielt, mir auf die Beine und dem Rad auf die Räder half und fragte, ob er sonst noch was für mich


tun könnte. Die abgesprungene Radkette montierte er mir auch gleich wieder. Auch zwei Einsatzwagen einer Firma stoppten und boten ihre Hilfe an. Gott sei Dank war wieder weder meinem Rad noch mir groß was passiert. Gut, natürlich gab es Schürfwunden, unendlich viele große und tiefe Blutergüsse, und mein armes Knie und mein Ellenbogen wurden zum zweiten Mal hart attackiert, aber eben nichts Gravierendes. Mein Schutzengel hatte erneut hervorragend auf mich aufgepasst. Ich war aber mit Sicherheit nicht die Erste die an der Stelle stürzte, sonst hätte Bikeline nicht diese Warnung in das Heft geschrieben. 

Nach diesem Schrecken schnell weiter. Von nun an ging es zur Belohnung fast immer mit Schiebewind am Deich entlang, ohne Autos oder nasse „böse“ Gleise. Salzwiesen und Deichvorland prägten die Landschaft. An Begegnungen gab es nur Schafe, ab und zu ein Radler, und in Abständen rechts kleine Ortschaften. 


Kurz nach 14 Uhr traf ich im Nordseebad Duhnen ein. Aß eine Kleinigkeit und fuhr bald darauf weiter. Nicht lange darauf fotografierte ich schon die berühmten Kugelbake in Cuxhaven. Das ist ein aus Holz errichtetes Seezeichen und gleichzeitig Wahrzeichen von Cuxhaven. Geographisch endet hier die Elbe und die Nordsee beginnt. Für mich bedeutete das, dass ich ab hier der Nordsee Adieu sagte, und brav der Elbe folgte. Und dann war es auch nicht mehr weit bis zu meiner vorgebuchten Unterkunft „Hotel Stadt Cuxhaven“ in Cuxhaven. Diesmal sogar mit Fahrstuhl. Sonst musste ich immer mein Gepäck selbst meist in den zweiten Stock hoch schleppen. Zum Abendessen quasi um die Ecke zu einem Italiener, und nicht all zulange danach zurück ins Hotel und ins Bett.

 

8. Radtag: Mo., Cuxhaven - Otterndorf - Hemmoor - von dort mit Zug nach Stade ( 64 km)

Was kann Radfahren doch schön sein wenn es überwiegend mit Rückenwind durch pure Natur geht. Erst an der Elbe entlang, dann in das Landesinnere hinein. Zwar hatte ich noch heftige Knieschmerzen von den beiden Stürzen, die aber durch die Bewegung im Laufe des Tages immer weniger wurden, und ich daher später ohne Probleme wieder in die Pedale treten konnte.

 

An diesem Tag fiel mir trotzdem das Aufstehen schwer, und so startete ich nach einem guten Frühstück erst so gegen 9:30 Uhr. Kaum aus Cuxhaven heraus und der schrägen Überquerung eines Eisenbahngleises, die ich in Erinnerung an den Sturz vom Vortag ganz vorsichtig anging, führte mich der Radweg gute 15 km immer entlang der Elbe. Mit Rückenwind ging es total entspannt an der Außenseite, manchmal aber auch auf der Innenseite des Deiches entlang bis zur Ottendorfer Schleuse. Ungefähr in der Mitte des Weges, bei Altenbruch, passierte ich das technische Baudenkmal, den Leuchtturm „Dicke Berta“. 1897 errichtet, wurde sein Leuchtfeuer 1983 gelöscht. Heute ist er eine beliebte Location zum Heiraten. 

In Otterndorf, zwischen den Mündungen von Medem und Oste, kam ich am Naturschutzgebiet „Hadelner und Belumer Außendeich“ mit dem direkt daran anschließenden Naturschutz-gebiet „Oste-Mündung“ und einem Vogelschutzgebiet vorbei. Alle  ein Refugium für Flora und Fauna, welches auf gut gemachten


Informationstafeln beschrieben und erklärt wird. Otterndorf selbst ist ein kleiner Ort mit etwa 1000-jähriger Vergangenheit. Von dort fuhr ich Richtung Süden und etliche Kilometer später nach Wingst, der „grünen Lunge“ der Nordsee.

In Wingst findet sich das größte zusammenhängende Waldgebiet im norddeutschen Cuxland, welches durch sein Höhenprofil einen reizvollen Kontrast zur Tiefebne bildet. Allerdings fand ich ab hier die Wegkennzeichung miserabel, und verfuhr mich auch prompt ein paar Mal. Zudem gab es ab hier auch öfters unbefestigte 


Wege, Wald, und es wurde auch etwas hügelig. Als ich gerade wieder einmal eine Steigung hochfuhr, sah ich ein Haus mit einem wunderschönen und mit bunten Laub überwölbten Treppenaufgang. Der gefiel mir so, dass ich ihn fotografieren wollte. Da meine Kamera nicht so wollte wie ich wollte, dauerte es etwas länger, und die Hausbesitzerin kam heraus und fragte, was ich da mache. Nachdem ich ihr erklärte, dass mir der Eingang so gefiel, lud sie mich zu einem Kaffee ein, und im Nullkommanix wurden zweieinhalb Stunden angeregte Plauderei daraus. Mit aufrichtigem Bedauern beiderseits mussten wir uns dann aber doch trennen. Ich hatte ja noch eine gute Strecke vor mir. Aber zweieinhalb Stunden ließen sich nicht mehr einholen, und so entschied ich mich, in Hemmoor die Bahn nach Stade, dem Tagesziel, zu nehmen. Es war schon beruhigend, dass diese Tour oft in der Nähe einer Bahnlinie verlief.

 

Kurz vor 18 Uhr dort im Hotel „Apartment Hotel zur Hanse“ angekommen, schnell noch etwas zum essen eingekauft, und mich dann in mein diesmal riesengroßes Apartment zurück gezogen. Ein wunderschöner Tag ging zu Ende. 

 

 

9. Radtag: Di., 28.05.19: Stade - Finkenwerder - von dort mit Fähre nach Hamburg und mit Rad durch Hamburg (67 km)

Wie schnell geht alles zu Ende. Heute war schon der letzte Tag meiner Radreise. Auf der einen Seite war ich traurig darüber, auf der anderen Seite hat mich das ständige gegen den Wind ankämpfen und die Kälte doch geschafft. Und alles Schönes hat halt auch irgendwann ein Ende. Nur noch nicht heute. Heute ging es noch durch das wunderschöne Alte Land vor den Toren Hamburgs und durch Hamburg selbst. Vor langer Zeit meine Heimat für zwanzig Jahre. 

Irgendwie war das aber nicht mein Tag heute. Mir war schlecht am Morgen, und mein Knie schmerzte ziemlich heftig. Vielleicht war es doch gut, dass die Fahrt zu Ende ging. Andererseits kam ich heute auf der letzten Etappe durch das Alte Land, welches ich als wunderschön in Erinnerung hatte. Das wollte ich schon noch sehen. Daher mit frischem Mut noch einmal aufs Rad und los. Aus Stade war ich schnell heraus, aber nicht, ohne vorher noch ein paar Fotos von der Stadt gemacht zu haben, deren Zentrum etwas höher als das Umland liegt und vom Fluss Schlinge und kleineren Kanälen umgeben ist. Sie ist zugleich auch das Tor zum Alten Land, dem größten zusammenhängenden Obstanbaugebiet Deutschlands. Und nach ein paar Kilometern war ich bei Sonnenschein, später etwas bewölkt, aber mit Gegenwind, schon mitten in der Kulturlandschaft "Altes Land". 

 

Was gab es da nicht für wunderschöne Fachwerkhäuser, Brauttüren, große ehrwürdigen Bauernhäuser mit Buntmauerfachwerk, und überall Apfelplantagen u.a. zu bestaunen. Hier etwas zu verweilen hätte gut getan, aber ich musste ja weiter. So folgte ich immer brav der Elbe. Entlang des ehemaligen Kernkraftwerkes Stade und später an der Elbinsel Lühesand, einem Vogelparadies sondergleichen, welches nur per Schiff zu erreichen ist. In Grünendeich verließ der Weg die Elbe und führte ins Landesinnere, immer an der Lühe entlang. Kurz nach 

Mittelkirchen sagte ich der Lühe aber schon wieder Adieu, und auf einem straßenbegleitenden Weg näherte ich mich erneut der Elbe und erreichte gleich darauf Jork, den Verwaltungsbezirk und die "Hauptstadt" des Alten Landes. Gleich dahinter 


erahnte man das Hamburger Jugendgefängnis auf der Halbinsel Hahnhöfersand, die nur durch den Deich mit dem Festland verbunden ist. Und nach Passieren der Hamburger Flugzeugwerft und des Finkenwerder Kutterhafens, erreichte ich in Finkenwerder die Fähre, welche mich nach Hamburg zu den Landungsbrücken brachte. Von dort aus begann meine Radtour durch die Stadt selbst. Es wurde eine Nostalgiefahrt, auf der mir aber bewusst wurde, wie schnell sich doch alles verändert, besonders in einer so lebendigen Stadt wie Hamburg. Nach einem Imbiss fuhr ich noch einmal um die Außenalster herum, schaute dies und jenes an, um schließlich um 21 Uhr am Hauptbahnhof in den Nachtzug "nihgtjet" samt Rad einzusteigen. Die Heimreise begann. 

 

 

Di., 29.05.19: Ankunft in Basel und mit Rad nach  Hause 

Erstaunlicherweise konnte ich diesmal im Liegewagen richtig gut schlafen und fühlte mich daher am nächsten Morgen total ausgeruht. Aber, wen wundert es, der Zug hatte über 90 Minuten Verspätung. Allerdings störte mich das nicht, da ich ja mit dem Rad ab Basel nach Hause fuhr. Ich also schnell mein Rad ausgeladen und dann die bekannte Strecke bis zu mir nach Hause gefahren, was so frühmorgens noch kein Problem war. 19 km später heil und sicher angekommen. Damit hatte definitiv die Radtour "Nordseeküsten-Radweg" ein gutes Ende gefunden.